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EKHN-Feier in Worms

Corona-Gedenken: „Um Ausdauer und Zuversicht bitten“

Bildquelle: privatWormser DreifaltigkeitskircheDer Gedenk-Gottesdienst fand in der Wormser Dreifaltigkeitskirche statt

"Wir wollen keinen Menschen vergessen, der gelitten hat, der gestorben ist," sagte Ulrike Scherf, Stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN. Sie predigte am 18. April während des Gottesdienstes zum Gedenken an die Verstorbenen in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie in Worms.

EKHN/Rudolf UhrigUlrike Scherf in der Wormser DreifaltigkeitskircheUlrike Scherf in der Wormser Dreifaltigkeitskirche

Hessen-Nassaus Stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf hat bei einem Gedenk-Gottesdienst in Worms an die Toten in der Corona-Pandemie erinnert. Es sei wichtig, sich in der Krise Zeit zu nehmen und zu trauern, sagte sie am Sonntag (18. April) in der Wormser Dreifaltigkeitskirche. Scherf. „Wir wollen keinen Menschen vergessen, der gelitten hat, der gestorben ist, der verzweifelt ist. Wir klagen, beten, hoffen. Wir tun das gemeinsam, verbunden mit Menschen an vielen anderen Orten. Wir tun das vor Gott.“

 

Dunkles nicht verschweigen

Bei dem Umgang mit dem Leid könnten auch biblische Worte helfen, wie sie etwa der bekannte 23. Psalm („Der Herr ist mein Hirte“) bereit hielte. Diese Worte würden auch die dunklen Seiten des Lebens nicht verschwiegen. Scherf: „Da ist vom finstern Tal die Rede und von Feinden. Um durch ein finsteres Tal zu kommen, braucht es Kraft und Ausdauer.“ Zugleich vermittele er das Vertrauen, dass Gott auch dort da sei. Dies könne trösten und den Blick weiten. Bei Gott, in Gottes Haus zu sein und zu bleiben, könne jetzt stärken, aber auch Hoffnung über den Tod hinaus geben.

 

Not vor Gott bringen

Scherf: „Und es wird auch in den nächsten Wochen und Monaten wichtig sein, innezuhalten. An Menschen zu denken, deren Tod wir beklagen - persönlich wie weltweit. Unserer eigenen Trauer und Not, unserer Wut und Erschöpfung Raum zu geben. An alle zu denken, die unter der Pandemie besonders leiden. Kinder. Alte. Erwachsene. Weil sie krank sind, Angst haben, in Not sind - wirtschaftlich, körperlich oder seelisch. All das können wir vor Gott bringen. Gott um Hilfe, um Ausdauer und Zuversicht bitten.“

 

Hintergrund Gedenkgottesdienst in Worms

Den Gottesdienst in der Wormser Dreifaltigkeitskirche gestalten unter anderem Hessen-Nassaus Stellvertretende Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf sowie der hessen-nassauische Präses der Synode Ulrich Oelschläger. Im Mittelpunkt des Gedenkens stand Psalm 23 („Der Herr ist mein Hirte“). Mit seinen Bildern vom finsteren Tal, das Menschen in der Krise erleben, und vom Haus Gottes, in dem Menschen bleiben werden, soll er Verzweiflung aufnehmen und Hoffnung geben.

Der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung hatte die Gemeinden der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) gebeten, sich an dem bundesweiten Gedenken für die Opfer der Corona-Pandemie am 18. April zu beteiligen. So könnte beispielsweise in den Gottesdiensten am Sonntag für an Corona erkrankte und verstorbene Menschen Fürbitte gehalten werden, erklärte er. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte zu einem landesweiten Gedenktag aufgerufen. In rheinland-pfälzischen Worms fand dazu die Feier der EKHN statt, die auch auf der Internetseite der Landeskirche www.ekhn.de übertragen wurde.

 

Bildhinweis für Redaktionen:

 

Wortlaut der Predigt 

der Stellvertretenden Kirchenpräsidentin Ulrike Scherf

Liebe Gemeinde,

wer hätte das gedacht: wie lange uns Corona beschäftigen wird, wie massiv diese Pandemie unser Leben und unser Zusammenleben verändert.

Unser aller Leben und Zusammenleben leidet: kein unbeschwertes Miteinander im Beruf, in Schule, Kita oder Uni, im Freundes- oder Familienkreis, keine herzlichen Umarmungen, kein Kino, Theater, Restaurant-Besuch oder Urlaub … die Liste ließe sich fortführen und individuell ergänzen. Für viele geht es dabei auch um die wirtschaftliche Existenz, für andere um eine permanente Überlastung.

Ungeduldig werden wir – sehnen das Ende der Pandemie herbei, unser normales Leben.

Und dann schauen wir auf die Zahlen: Inzidenzien, R-Wert, Neuinfektionen, Todeszahlen. Die Zahlen erschrecken: hinter jeder ein individueller Mensch, ein Leben. Wie mag es jedem Einzelnen, jeder Einzelnen ergangen sein? Beim positiven Testergebnis, während der Krankheit, im Kampf um Leben und Tod – im Sterben. Wie mag es den Angehörigen ergangen sein? Den Freund*innen, Nachbarn und Kolleg*innen, als sie davon hörten?

Jeder Fall ist unterschiedlich gewesen: unkomplizierte Krankheitsverläufe, zum Teil symptomfrei – schwere Verläufe zum Teil mit Todesfolge oder langer Rekonvaleszenz.

Vieles geschah und geschieht ungleichzeitig: die ersten waren betroffen, als andere noch nicht wirklich etwas von Covid 19 gehört hatten – manche kennen bis heute noch niemanden, der erkrankt ist, während andere mehrere Todesfälle zu beklagen haben. Besonders die an und mit Covid verstorbenen Menschen stehen uns heute ganz besonders vor Augen, erfüllen unser Herz mit Trauer. Und wir schließen diejenigen in unsere Gedanken ein, die um sie trauern, die nur schwer von ihnen Abschied nehmen konnten.

Wir halten heute inne. Corona ist noch nicht vorbei, wir wissen nicht, was noch auf uns zukommt. Aber wir nehmen uns Zeit. Wir wollen keinen Menschen vergessen, der gelitten hat, der gestorben ist, der verzweifelt ist. Wir klagen, beten, hoffen. Wir tun das gemeinsam, hier in Worms und mit Ihnen, die Sie zu Hause oder wo auch immer mitfeiern, verbunden mit Menschen an vielen anderen Orten. Wir tun das vor Gott.

Wir teilen, was uns schmerzt und bringen es vor Gott. Damit stellen wir uns in eine Tradition, die Menschen seit Jahrhunderten hilft. Auch mir. Und es ist gut, dass wir dabei nicht nur auf unsere eigenen Worte beschränkt sind, sondern dass wir uns vertraute Worte leihen und neu auf uns wirken lassen können. Wie die des 23. Psalms.

Mir wird nichts mangeln - du erquickest meine Seele: diese Worte stoßen eine Sehnsucht an. Eine Sehnsucht nach gutem, erfülltem Leben, nach Lebendigkeit. Oft fühle ich mich gerade überfordert und ausgelaugt, resigniert. Ich bete weiter und vor mir entstehen Bilder von Leben in Fülle: frisches Wasser, ein gedeckter Tisch, Öl: Duft und Balsam für Haut und Haare. So lässt es sich leben. Miteinander, mit Gott.

Diese Worte des Psalms sind vermutlich deshalb so stark, weil auch die anderen, die dunklen Seiten des Lebens nicht verschwiegen werden. Sie werden benannt. Da ist vom finstern Tal die Rede und von Feinden.

Um durch ein finsteres Tal zu kommen, braucht es Kraft und Ausdauer. Und Vertrauen, dass ich da durchkomme. Nicht immer ist der Weg oder das Ende des Tals zu sehen. Manchmal fühlt man sich ganz einsam und allein. Oder meint, im Kreis zu gehen. Wo ist da Hoffnung und Zuversicht?

Im Psalm heißt es: Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.

Diese Worte leihe ich mir. Ich bete sie. Ich nehme sie mit ins finstere Tal und halte mich an ihnen fest. Manchmal klingen sie fremd. Manchmal ganz vertraut. Manchmal wie ein fernes Versprechen und manchmal tröstend nah. „Denn du bist bei mir.“

Ich bete und leihe mir Worte. Dabei geschieht etwas. Der Theologe Fulbert Steffensky hat es so formuliert:

Beten und Meditieren sind kein Nachdenken. … Man sieht die Bilder eines Psalms oder eines Bibelverses und lässt sie behutsam bei sich verweilen. …  Man ist Gastgeber der Bilder. Setze den Texten und Bildern nichts entgegen! Überliefere dich ihrer Kraft und lass dich von ihnen ziehen! 
(aus: 12 Regeln des Gebets, abgerufen am 29.3.2021

Mich ziehen lassen von den Bildern des Psalms, mich ziehen lassen vom Vertrauen auf Gott. Das kann sich ereignen, wenn ich bete.

Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar. Dieses Bild zieht mich, tröstet mich in dieser Zeit ganz besonders. Ich bleibe bei Gott, bin bei ihm zuhause. Auch wenn ich mich in meinem eigenen Leben fremd oder unbehaust fühle. Wenn mich alles nervt, an meinen Kräften zehrt und ich denke: ich kann nicht mehr. Sogar dann,  wenn ich Gottes Nähe vermisse: ich gehöre zum Haus Gottes, zu Gott selbst. Das gilt auch für unsere Lieben, die verstorben sind und um die wir trauern - und für die vielen, die wir nicht kannten: sie sind nicht verloren, nicht vergessen. Sie werden bleiben im Haus des Herrn - jetzt und in Ewigkeit.

Auch wenn ich das nicht ganz fassen kann, auch wenn mir das finstere Tal heute näher ist als die grüne Aue: ich kann mich Gott anvertrauen, und mich von ihm ziehen lassen. Die Bilder des Psalms dürfen einen Schritt weiter sein als mein Herz und mein Verstand, und wirken gerade so. Sie trösten und weiten meinen Blick. Gott selbst verspricht, dass er im finsteren Tal da ist und unsere Seele erquicken wird. Jetzt (mitten im Leben) und auch über unseren Tod hinaus. Wir bleiben in Gottes Haus.

Wie und wie lange noch wird die Pandemie unser Leben beschweren? Das wissen wir nicht. Wir werden sicher auch weiterhin das Virus ernst nehmen und darauf achten müssen, uns gegenseitig zu schützen und zu unterstützen. Und alles dafür tun, die Pandemie zu überwinden und niemanden dabei zu vergessen.

Und es wird auch in den nächsten Wochen und Monaten wichtig sein, innezuhalten - wie heute. An Menschen zu denken, deren Tod wir beklagen - persönlich wie weltweit. Unserer eigenen Trauer und Not, unserer Wut und Erschöpfung Raum zu geben. An alle zu denken, die unter der Pandemie besonders leiden. Kinder. Jugendliche. Alte. Erwachsene. Weil sie krank sind, Angst haben, in Not sind -wirtschaftlich, körperlich oder seelisch.

All das bringen wir vor Gott. Bitten Gott um Hilfe, um Ausdauer und Zuversicht.

Ich wünsche Ihnen ganz persönlich, dass Worte (wie Psalm 23) Ihrer Seele guttun. Dass sie Ihren Blick weiten und Sie ziehen: auf grüne Auen, zum frischen Wasser, zum Bleiben in Gottes Haus.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

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