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Finissage "Kunst trotz(t) Ausgrenzung"

"DU hattest es besser als ICH"

"Niemand saß ‚zu Recht‘ im KZ, auch Menschen mit dem schwarzen und dem grünen Winkel nicht." Mit diesem Zitat brachte Frank Nonnenmacher das Thema der Finissage auf den Punkt. Mit einer Lesung endete die Wanderausstellung "Kunst trotz(t) Ausgrenzung" in Osthofen.

privatProf. Dr. Frank NonnenmacherProf. Dr. Frank Nonnenmacher

Anlässlich der Finissage von „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“, einer Wanderausstellung der Diakonie Deutschland, las der emeritierte Professor für Politische Bildung in der Osthofener Gedenkstätte aus seinem Buch „DU hattest es besser als ICH“ über zwei Brüder im 20. Jahrhundert, seinen Vater Gustav und seinen Onkel Ernst.

Der Schwerpunkt des Vortrages lag auf der Biografie Ernsts, der wie alle als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ Verfolgte auch in der Nachkriegszeit keine Anerkennung als Opfer der Nationalsozialisten und damit keine Entschädigung bekam. Frank Nonnenmacher ging der Frage nach, warum diese beiden Opfergruppen so lange medial und gesellschaftlich unsichtbar blieben und auch von der Forschung lange Zeit nicht beachtet wurden, ein Zustand, der sich erst in den letzten Jahren zu ändern begann. Ebenso berichtete er über den von ihm initiierten „Appell“ an den Bundestag vom April 2018, in dem Frank Nonnenmacher und 125 weitere namhafte Erstunterzeichnende forderten, diese beiden Gruppen als Opfer des NS-Systems anzuerkennen. Bis heute haben bereits knapp 22.000 Menschen diesen Appell unterzeichnet (change.org/vergessene-opfer). 2019 wurden schließlich im Bundestag vier verschiedene Anträge von Bündnis 90/Die Grünen, der FDP, der Linken sowie von CDU/CSU und SPD eingereicht und im Bundestagsausschuss für Kultur und Medien Experten zum Thema gehört.

Die über 80 Besucher der Veranstaltung lauschten dem Vortrag gebannt und diskutierten im Anschluss lebhaft. Einig waren sich alle, wie wichtig es sei, die bislang marginalisierten Opfergruppen endlich anzuerkennen und ins allgemeine Bewusstsein zu rufen und zeigten sich angesichts der aktuellen Entwicklungen hoffnungsvoll.

Zum Buch:
Gustav kam wegen bitterster Armut der ledigen Mutter erst „in Fürsorge“, dann ins Waisenhaus, machte eine Holzbildhauerlehre, bekam Arbeit an einer Segelflugschule und wurde schließlich Ju52-Pilot für Hitlers Luftwaffe. Nach dem Krieg wurde er Antimilitarist und Bildhauer in Worms. Gustavs Bruder Ernst, der bei der Mutter blieb, wurde früh aus Not kleinkriminell, bekam mehrere Haftstrafen, wurde Gelegenheitsarbeiter, Bettler und herumwandernder Hausierer. Nach Verbüßung einer Strafhaft kam er in die KZ Flossenbürg und Sachsenhausen. Ernsts Schicksal ist exemplarisch für die von den Nazis als „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ bezeichneten KZ-Häftlinge, die den stigmatisierenden schwarzen und grünen „Winkel“ auf der Häftlingskleidung tragen mussten. Sie galten als „Ballastexistenzen“, die „durch Arbeit vernichtet“ werden sollten.


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