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20. Mai-Gebet in Worms

(Kein) Gebet der Religionen

Hande YaylıMai-Gebet auf dem Wormser MarktplatzVon links: Büşra Haltaş vom Vorstand des Türkisch-islamischen Kulturverbands, DITIB; Erika Mohri; Kemal „Dede“ Esmer, der Geistliche der Alevitischen Gemeinde; Aydın Gecgel, Geschäftsführer der IGMG; Bernhard Elz, Vorsitzender des DGB-Ortsverbandes Worms; Dompropst Tobias Schäfer, und als Zaungäste Pfarrer Volker J. Fey, Dreifaltigkeit, sowie Sigrid Klehr, die schon viele Jahre dabei ist.

Es wäre das 20. Maigebet gewesen. "Diesen Tag wollen wir nicht einfach so verstreichen lassen," sagt Pfarrerin Dr. Erika Mohri. Sie und nur einige der Partner beim Mai-Gebet versammelten sich also "wie immer" auf dem Marktplatz. Und dabei war nichts wie immer. Keine Bühne, keine Stände und nur diese Handvoll Menschen.

Als Vorsitzender des DGB Stadtverbands Worms hatte Bernhard Elz das erste Wort. "Die Gewerkschaften setzen sich für ihre Mitglieder ein, ja, aber auch für alle." Es sei gut, dass es staatliche Unterstützung gebe, erklärte er, grundsätzlich aber müsse es möglich sein, vom eigenen Einkommen ohne Unterstützung zu leben ohne zum Bittsteller werden zu müssen. Die Gewerkschaften setzen sich in diesem Sinne für alle für eine gerechtere Gesellschaft ein und er hoffe, auch durch die Corona-Krise hindurch auf diesem Weg einen Schritt weiter zu kommen. Hinter ihm war auf dem Banner das Motto des 1. Mai zu lesen: Solidarisch ist man nicht alleine.

Kemal Esmer sprach ebenfalls zur Solidarität. Denn die Alevitische Gemeinde ist auf dem Maiplatz immer mit einem eigenen Stand vertreten, an dem die Teilnehmer des Gebets sonst anschließend Kaffee zu trinken pflegen. Der Geistliche betete für alle, "deren Arbeit wichtig ist: dass sie Wertschätzung bekommen, eine gute Anerkennung und ein gutes Gehalt." Das Motto legte er so aus: "Um solidarisch zu sein, braucht man immer andere. Wir zeigen heute als verschiedene Religionen, dass wir zusammen solidarisch sind. Und zweitens sagt das Motto: Wenn man solidarisch ist, ist man nicht alleine. Wir zeigen heute als verschiedene Religionen, dass wir zusammenhalten."

"Das Gebet in Zeiten der Pandemie" teilte Dompropst Tobias Schäfer mit den Anwesenden. Es begleitet die Katholischen Gemeinden seit Beginn der Corona-Krise und gilt allen von der Krise besonders Betroffenen, den Kranken und denen, die mit ihrer Arbeit besonders gefordert sind, wie den Ärzt/innen, Pflegepersonal, Verkäufer/innen, Lkw-Fahrern. Schäfer sprach den Segen: "Wenn der Boden unter unseren Füßen schwankt, dann reiche uns die Hand, Gott, und halte uns fest." Stellvertretend sei er gekommen für die katholischen Gemeinden der Stadt; auch Pax Christi nehme sonst regelmäßig – und von Anfang an – teil.

Aydın Gecgel weitete den Blick auf alle Notleidenden und gedachte besonders derer, die es schwer haben. IGMG hat eine Nachbarschaftshilfe in Kooperation mit der Dreifaltigkeitsgemeinde organisiert. Seine Gedanken galten besonders den älteren Leuten, denen er für ihre Selbständigkeit Respekt sollte, Alleinerziehenden, aber auch den Flüchtlingen in den Lagern in Griechenland oder der Türkei – "sie gehören überall zu denen in den schwierigsten Situationen" – und der Menschen etwa in Südafrika, denen die Krise Arbeit und Tageseinkunft genommen hat und die an Essensausgaben anstehen.

"Für die, die Angst haben,
für die, die ihre Arbeit und ihr Einkommen verlieren,
für die Einsamen,
für die Menschen in Altenheimen und Krankenhäusern, die keinen Besuch bekommen dürfen,
für die Kranken und für die, die es nicht mehr aus der Krankheit schaffen",
betete einfühlsam Büşra Haltaş. Sie wies auf die Werte hin, die die Teilnehmenden der unterschiedlichen Gemeinden verbinden, und die sie gemeinsam hochhielten. Sie standen auf Pappen geschrieben, die auf dem Boden den Platz freihielten für diejenigen, die an diesem 1. Mai nicht dabei sein konnten.

Erika Mohri bezog sich zum Schluss noch einmal auf die kurze Mai-Rede des DGB-Stadt-Vorsitzenden Bernhard Elz. Sie wünscht sich, "dass nicht nur die Einzelnen, sondern dass unsere gesamte Gesellschaft etwas lernt aus dieser Corona-Zeit, in der ja sichtbar wird, wer wichtige Arbeit leistet, die bisher viel zu wenig geachtet und zu gering bezahlt wurde." Davon könne ein Impuls ausgehen, das Wirtschaften neu auszurichten, da auch jetzt Gesundheit und Menschenleben über den Profit gestellt worden seien. Mohri zitierte den Bibelvers, der die evangelischen Gemeinden von Beginn der Corona-Zeit an begleitet: "Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit."

Es war gar nicht wie immer. Am Ende konnten sich die Teilnehmenden nicht wie sonst die Hand zum Friedensgruß reichen. Aber sie legten sie für einen Moment auf's Herz und schauten einander in die Augen. Solidarisch ist man eben nicht alleine.

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