[von Kirchenpräsident Volker Jung] Ich begegne zurzeit immer öfter Menschen, die unsicher und ratlos sind. Dazu gehören zum Beispiel Frauen und Männer, die entsetzt sind über den Einmarsch Russlands in die Ukraine sind. Zu Recht! Er ist ein brutaler Bruch internationalen Rechts. Bisher dachten viele in Deutschland: Kriege sind ganz weit weg. Dieses Vertrauen ist erschüttert. Wie kommen wir damit zurecht, dass auf einmal Bedrohungen so nahe gerückt sind?
Heute wird immer klarer, wie zerbrechlich Leben ist
Dazu gehören auch junge Menschen, die Angst vor der Zukunft haben. Sie sind enttäuscht, dass nicht mehr gegen den Klimawandel getan wird. Sie sind groß geworden mit der Hoffnung auf ein gutes Leben. Dann haben sie nach und nach verstanden, wie bedroht ihre Zukunft ist. Die Corona-Pandemie hat ihnen dann noch einmal gezeigt, wie zerbrechlich Leben sein kann. Sie fragen sich: Wie sieht unsere Zukunft aus?
Unsicherheit unter den Jüngern nach dem Tod Jesu
Unsicher und ratlos: Das waren auch die Jünger nach dem Tod Jesu am Kreuz. Zwei von ihnen begleitet die Bibel am Ostermorgen auf dem Weg nach Emmaus (Lukas 24, 15-24). Emmaus ist ein kleiner Ort, zwei Stunden Fußmarsch von Jerusalem entfernt. Die beiden Männer reden beim Laufen miteinander von dem, was sie in den letzten Tagen erlebt haben. Sie versuchen Abstand von dem Tod Jesu zu gewinnen. Sie sind ratlos und voller Trauer.
Einer, der aus dem Gedankenkarussell führt
Auf dem Weg begegnet ihnen plötzlich ein Mann. Er spricht sie an. Es ist der auferstandene Jesus. Sie erkennen ihn aber zunächst nicht. Viel zu sehr sind sie in ihren Gedanken gefangen. Das ist so, wie es vielen geht, wenn das Gefühl da ist, machtlos zu sein – gegen die Überhitzung der Erde, gegen Gewalt und Krieg, gegen Entwicklungen, die nicht aufzuhalten sind. Dann kann es guttun, wenn jemand von außen kommt und zuhört und Fragen stellt.
So ist es hier in der Geschichte vom Ostermorgen. Jesus fragt nach, was die beiden Männer erlebt haben. Und noch einmal erzählen sie ihre Geschichte – von ihrem Weg mit Jesus, dem großen Propheten, von dem sie so viel erhofft hatten. Sie erzählen, dass er verurteilt und gekreuzigt wurde. Und sie bezweifeln, dass er vom Tod auferstanden ist.
Wahrnehmen, dass man nicht allein ist
Was hier geschieht, hat eine tiefe symbolische Bedeutung. Der Evangelist Lukas erzählt diese Geschichte so behutsam, weil er damit sagen will: So etwas erleben viele im Auf und Ab des Lebens. Sie sind unterwegs, es kommen Fragen und Zweifel, es gibt Wegstrecken, da sind sie ratlos und verzweifelt. Sogar so sehr, dass sie gar nicht wahrnehmen: Sie sind nicht allein. Jesus bleibt an ihrer Seite. Was er ihnen eröffnet, ist eine neue Perspektive des Glaubens. Es ist ein anderer, ein weiterer Horizont: Gott kann neues Leben schenken.
Begegnung und Erkenntnis, die neue Kraft schenken
Aber mit dem Glauben ist es nicht so einfach. Selbst wenn der Kopf sagt: „Ich will das glauben“, kann das Herz eine ganz andere Sprache sprechen. Besonders dann, wenn es in Unsicherheit und Ratlosigkeit gefangen ist. Den beiden Männern auf dem Weg nach Emmaus ist es zunächst so ergangen. In dem Moment, in dem sie aber Jesus doch erkennen, verschwindet er vor ihren Augen. Festhalten können sie ihn nicht. Aber es hat sich in ihnen schon etwas verändert. Sie sind voll neuer Kraft. Sie gehen zurück nach Jerusalem. Dort werden sie begrüßt: „Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Und sie können erzählen, dass sie Jesus begegnet sind. Dieser Glaube gibt ihnen neue Kraft und Hoffnung. Er zeigt ihnen den Weg zurück aus Unsicherheit und Ratlosigkeit ins Leben.
Wenn ich mit Menschen über den Krieg rede, dann ist für mich wichtig zu sagen: Krieg soll nach Gottes Willen nicht sein. Lasst uns deshalb Frieden suchen. Aber lasst uns auch Gott darum bitten, dass Frieden werde. Ostern gibt mir die Hoffnung, dass es eine Umkehr zum Leben gibt.
Unsicherheit und Ratlosigkeit haben nicht das letzte Wort
Und beim Klima: Es ist nötig, alles uns Mögliche zu tun, um die Lebensgrundlagen der Erde zu bewahren. Das ist überhaupt keine Frage. Bei allem, was zu tun ist, hilft mir hier auch der Glaube daran, dass Gott diese Welt und das Leben auf dieser Welt erhalten will. Das schützt auch, vor der Größe der Aufgabe zu verzweifeln. Ostern schenkt mir das Vertrauen dazu.
„Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden!“ Diese Worte sind mehr als ein Gruß für zwei niedergeschlagene Menschen am Ostermorgen. Sie .sagen: Unsicherheit und Ratlosigkeit haben nicht das letzte Wort Gottes Macht ist stärker als der Tod. Und Gott liebt das Leben – jetzt und in Ewigkeit.