veröffentlicht 10.06.2024
von Caroline Schröder
„In einer ‚Welt ohne Kompass‘ orientieren wir uns an Gottes Frieden. Gottes Frieden ist uns geschenkt und kann uns die Richtung weisen zu einem gerechten Frieden in der Welt. Wie weit wir davon entfernt sind, zeigt uns das jüngste Friedensgutachten. Gerechter Frieden ist mehr als ein Schweigen der Waffen. Gerechter Frieden schützt Menschen vor Gewalt, baut Not ab durch Verteilungsgerechtigkeit, fördert die Freiheit und ein Zusammenleben in kultureller Vielfalt. Klimaschutz, soziales Engagement und Entwicklungszusammenarbeit tragen dazu bei, dass unsere Welt friedlicher wird.
Ich begrüße die klare Absage des Friedensgutachtens an jede Diskussion um deutsche oder europäische Nuklearwaffen. Das Ziel einer atomwaffenfreien Welt muss weiterhin gelten, allein schon die Drohung mit solchen Waffen ist abzulehnen. Erst vor zwei Wochen haben Unterzeichner einer ‚Wiesbadener Erinnerung´, zu denen auch ich gehörte, die Bundesregierung dazu aufgefordert, die Verhandlungen zu den atomaren Rüstungskontrollverträgen wieder aufzunehmen. Die ´Wiesbadener Erinnerung´ erinnert an das Gespräch Martin Niemöllers mit den Wissenschaftlern Otto Hahn, Werner Heisenberg und Carl Friedrich von Weizsäcker im Juni vor 70 Jahren über das verheerende Vernichtungspotential von Nuklearwaffen.
Die Autorinnen und Autoren des diesjährigen Friedensgutachtens fordern ein Bemühen um internationale Rüstungskontrolle – dem schließe ich mich an. Auch wenn große Erfolge auf diesem Feld derzeit unwahrscheinlich scheinen, ist es dringend geboten, immer wieder die Hand auszustrecken, den Weg zu bereiten, miteinander im Gespräch zu bleiben und so das Vertrauen in kleinen Bereichen zu erhalten oder – wo es verloren ging – Vertrauen wiederherzustellen.
Dieses Vertrauen fehlt momentan unter anderem in Israel und Gaza. Kurzfristig bedarf es einer Waffenruhe, der Freilassung der israelischen Geiseln sowie humanitärer Hilfe für Gaza. Aus diesen Schritten kann Vertrauen erwachsen. Menschenrechte, Völkerrecht und das Sicherheitsbedürfnis aller Menschen in der Region müssen dabei der Maßstab des Handelns sein. Vertrauensbildung ist auch nötig, um Friedensverhandlungen zwischen der Ukraine und Russland vorzubereiten, und zwar so, dass die Ukraine in Freiheit fortbestehen kann.“
Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN
Über das Friedensgutachten
Das Friedensgutachten ist das Jahrbuch der führenden deutschen Friedensforschungsinstitute. Es wurde erstmalig im Jahr 1987 herausgegeben und erscheint seitdem jährlich. Es wird gemeinsam herausgegeben vom Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC), dem Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH), dem Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg-Essen (INEF) und dem Peace Research Institute Frankfurt – Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung (PRIF).
Anhand fünf wiederkehrender Themenfelder – bewaffnete Konflikte, nachhaltiger Frieden, Rüstungsdynamiken, institutionelle Friedenssicherung und transnationale Sicherheitsrisiken – analysieren, bilanzieren und bewerten die Friedensforschungsinstitute internationale Konflikte aus friedensstrategischer Perspektive. Mit seinen konkreten Handlungsempfehlungen für Bundestag und Bundesregierung ist das Friedensgutachten ein zentrales Medium für den Dialog zwischen Wissenschaft, Gesellschaft und Politik.