Die Kirchensynode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) ist am Samstag (26. November) in Offenbach mit zahlreichen Entscheidungen zur künftigen Arbeit, Finanzen und ökologischen Fragen beendet worden. Von Mittwoch an hatten die 120 Delegierten des mit einem Parlament vergleichbaren Kirchengremiums unter der Leitung von Präses Birgit Pfeiffer in der Offenbacher Stadthalle annähernd 70 Tagesordnungspunkte abgearbeitet. Die ehrenamtlich tätigen Synodalen der EKHN repräsentieren rund 1,4 Millionen Mitglieder in einem Gebiet zwischen Biedenkopf und Neckarsteinach. Zur hessen-nassauischen Kirche gehören auch Regionen in Rheinland-Pfalz etwa um Mainz, Worms und Montabaur.
Evangelische Kirche will Selbstversorgerin mit Ökostrom werden
Zum Abschluss der Tagung machte die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau am Samstag den Weg dafür frei, den Strombedarf für die über 1.100 Gemeinden und Einrichtungen künftig komplett selbst zu decken. Bereits jetzt erzeugen mehr als 100 Fotovoltaikanlagen auf kirchlichen Dächern etwa ein Drittel des gesamten Strombedarfs der EKHN. Seit 2018 werden in Hessen-Nassau ausschließlich Ökostrom und Gas mit Biogasanteilen aus nachhaltiger Produktion zentral beschafft. Dadurch konnten zuletzt jährlich über 6.300 Tonnen Kohlendioxid eingespart werden.
Kirchenpräsident Jung für Tempolimit in Deutschland
Zuvor hatte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung die Forderung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) nach einem Tempolimit auf deutschen Straßen unterstützt. Es gehe darum, für eine freiwillige Selbstverpflichtung zu werben, bei Dienstfahrten im kirchlichen Kontext ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und 80 Stundenkilometern auf Landstraßen einzuhalten, erklärte er. Zugleich rege der EKD-Beschluss an, politische Bemühungen für ein Tempolimit auf Autobahnen von 120 Stundenkilometern zu unterstützen. Er verteidigte auch die Klimaaktivisten der Gruppe „Letzte Generation“. Mit ihrem Engagement wollten sie auf das Anliegen aufmerksam machen, dass viel größere Anstrengungen für den Klimaschutz nötig seien. Über die Methoden ihres Protestes müsse aber diskutiert werden.
721-Millionen-Haushalt mit neuem Zukunftsfonds beschlossen
Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau hat auf ihrer Herbsttagung in Offenbach auch den Haushalt für das kommende Jahr mit einem Volumen von 721 Millionen Euro (2022: 710 Millionen Euro) einstimmig beschlossen. Für die Arbeit auf Gemeinde- und Dekanatsebene sind im neuen Etat über 350 Millionen Euro eingeplant. Den größten Einzelposten bilden die Personalkosten mit knapp 326 Millionen Euro. Neu ist ein Zukunftsfonds über zunächst gut 26 Millionen Euro, mit dem künftige Aufgaben unter anderem beim Klimaschutz und der Digitalisierung verstärkt angegangen werden sollen.
Hessen-Nassau ordnet Gemeindearbeit komplett neu
Mit großer Spannung war intern die Abstimmung über das sogenannte „Verkündigungsdienstgesetz“ erwartet worden, das die Synode schließlich mit großer Mehrheit beschloss. Es ordnet die Arbeit in den Gemeinden und Regionen von Grund auf neu. So sollen spätestens ab 2025 multiprofessionell aufgestellte Teams aus Pfarrdienst, kirchenmusikalischem sowie gemeindepädagogischem Dienst in neuen Nachbarschaftsräumen gemeinsam Aufgaben übernehmen. Die detailreichen Regelungen wurden in mehr als drei Jahren Vorarbeit entwickelt. Das neue Gesetz gilt als eine der weitreichendsten Reformen seit Bestehen der EKHN und ist Teil des Zukunftsprozesses „ekhn2030“.
Synode vertagt Entscheidungen in Handlungsfeldern
Die hessen-nassauische Synode hat auf ihrer Herbsttagung die Debatte über die Zukunft zentraler kirchlicher Handlungsfelder wie Bildung, Verkündigung, Seelsorge und Ökumene fortgesetzt. Im laufenden Reformprozess der hessen-nassauischen Kirche „ekhn2030“ müssen diese Arbeitsbereiche ab 2030 ein Einsparvolumen von 7,8 Millionen Euro jährlich erbringen, wie die Synode bestätigte. Die Delegierten entschieden zugleich, konkrete Einzelmaßnahmen in den synodalen Ausschüssen zu beraten und dann auf der Frühjahrssynode Ende April 2023 darüber zu befinden. Damit ist beispielsweise auch die Entscheidung über die Abgabe der Trägerschaft der Evangelischen Grundschule in Weiten-Gesäß (Odenwaldkreis) und die Umstrukturierung der Arbeit der Evangelischen Frauen vertagt. Unter anderem hierüber hatte es im Vorfeld öffentliche Proteste gegeben.
Zukunftskonzept für Arbeit mit Kindern und Jugendlichen vorgelegt
Die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau hat auf ihrer Tagung in Offenbach erstmals ein umfassendes Zukunftskonzept für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verabschiedet. Das rund 50 Seiten umfassende Papier sieht unter anderem vor, die Partizipation Jüngerer in der Kirche zu stärken, das geistliche Leben mehr auf sie auszurichten, vermehrt digitale Räume für sie zu schaffen und stärker auf das Thema Nachhaltigkeit einzugehen. Zudem fordert es die Einrichtung einer Jugendsynode. Aus dem Konzept sollen nun konkrete Handlungsschritte entwickelt werden.
Regionale Diakonie schlüpft unter Dach der EKHN
Die 17 „Regionalen Diakonischen Werke“ (RdW) auf dem Gebiet der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau sollen nach dem Willen der Synode Teil der verfassten Kirche werden. Die Übernahme soll ab 1. Januar 2023 erfolgen. Die RdW mit ihren rund 1300 Mitarbeitenden an 180 Standorten im Kirchengebiet sind dann eine Tochtergesellschaft der EKHN. Auch dieser Schritt steht im Zusammenhang mit dem Zukunftsprozesses „ekhn2030“, der unter anderem eine stärkere Orientierung am Gemeinwesen fordert. Formal muss die Kirchenleitung dem Beschluss der Synode noch zustimmen.
Synode wählt Lars Esterhaus zum Nachfolger von Heinz Thomas Striegler
Lars Esterhaus ist von der Synode zum neuen Leiter der Kirchenverwaltung gewählt worden. Der 44 Jahre alte Jurist und Theologe ist derzeit Professor für Öffentliches Recht und Dekan des Zentralen Lehrbereichs der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl bei Köln. In seiner Vorstellungsrede sprach sich Esterhaus für eine kirchliche Verwaltung aus, die der „Kommunikation des Evangeliums“ dienen solle. Esterhaus folgt Heinz Thoms Striegler nach, der im März 2023 in den Ruhestand tritt. Striegler war erstmals 2010 zum Verwaltungsleiter gewählt worden. Die Präses der Synode, Birgit Pfeiffer, verabschiedete Striegler vor der Synode und bezeichnete ihn als Verwaltungschef, der mit „ruhiger Hand den Tanker EKHN“ über zwei Jahrzehnte mitgesteuert habe.
Mescher und Seeger gehören künftig der Kirchenleitung an
Der frühere Bensheimer Schulleiter Jürgen Mescher (67) und der Unternehmer Erhard Seeger (70) aus Dreieich gehören ab dem kommenden Jahr der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau an. Die Synode wählte sie als ehrenamtliche Mitglieder in das 19-köpfige Leitungsgremium. Mescher und Seeger folgen Gabriele Schmidt und Dore Struckmeier-Schubert, die 2016 in die Kirchenleitung gewählt wurden und nicht mehr kandidierten.
Synode ganz in Orange und im Zeichen der Frauen
100 Jahre Frauen in Kirchensynoden, der Start der „Orange-Days“ als Initiative gegen Gewalt an Frauen und die anhaltenden Proteste im Iran: Mit einer Solidaritätsaktion hat die Synode der hessen-nassauischen Kirche am Freitag auf die besondere Situation von Frauen weltweit hingewiesen. Synodale zeigten dazu auf der aktuellen Tagung in Offenbach am Freitag orangefarbene Schilder mit dem Motto der iranischen Proteste „Frau, Leben, Freiheit“. Der Kirchensynodalvorstand hatte anlässlich der Aktionen auch beschlossen, dass alle Andachten bei der Herbsttagung von Frauen gestaltet werden sollen. Das Leitungs-Podium am Tagungsort war darüber hinaus mit Motiven zu 100 Jahren Frauen in Synoden geschmückt. Die Evangelischen Frauen in Hessen und Nassau verteilten als Zeichen der Solidarität orangefarbene Armbänder mit der Botschaft „Nein zu Gewalt an Frauen!“.
Hintergrund Synode: Das „maßgebende Organ“
Die Synode ist gemäß der Kirchenordnung das „maßgebende Organ“ der hessen-nassauischen Kirche. Aktuell hat sie 120 Sitze. Die gewählten Delegierten arbeiten ehrenamtlich in dem mit einem Parlament vergleichbaren Kirchengremium. Eine Legislaturperiode dauert sechs Jahre. Die Kirchensynode erlässt Gesetze, besetzt durch Wahl die wichtigsten Leitungsämter und beschließt den Haushalt. Gewöhnlich tritt die Synode zwei Mal im Jahr zusammen. Als das maßgebende Organ geistlicher und rechtlicher Leitung trifft sie auch wichtige kirchenpolitische Entscheidungen. Ausschüsse und regionale Arbeitsgruppen bereiten sie vor. Geleitet wird die Synode vom Kirchensynodalvorstand mit einem oder einer Präses. Gemäß Kirchenordnung sollen möglichst zwei Drittel der gewählten Synodalen nichtordinierte Gemeindemitglieder sein, ein Drittel Pfarrerinnen und Pfarrer.